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Die Lehrerpersönlichkeit auf dem Prüfstand

Vergangenen Mittwoch stand bei mir ein Praxis-Härtetest an. Bislang hatte ich nur Nachhilfe im Einzelunterricht gegeben. Nun habe ich mich bei einem Institut beworben, das Nachhilfe in Gruppenkursen anbietet. Teil der Bewerbungsphase war eine dreistündige Hospitation, also zwei eineinhalbstündige Kurse gemeinsam mit einem Patenlehrer, also einem eingesessenen Lehrer, betreuen. Das ist auch der Umfang in dem ich später alleine Nachhilfe geben werde.

Meine Patenlehrerin war eine junge Studentin, die seit etwa zwei Jahren bei diesem Institut arbeitet. Neben dem Wissen der Schüler stand in den drei Stunden insbesondere meine Persönlichkeit als Lehrerin auf dem Prüfstand.

Die Pflegeleichten

Der erste Kurs war sehr entspannend: zwei Grundschüler, ein Schüler für Deutsch und eine Schülerin für Mathe. Beide waren motiviert und brauchten nur ein paar Schubser in die richtige Richtung, schon stand das richtige Ergebnis an der Tafel oder der korrekt formulierte Satz auf dem Zettel. Bei den Kleinen gäbe es die Vereinbarung, so meine Patenlehrerin, dass sie in den letzten zehn Minuten der Unterrichtsstunde spielen dürften. Bei schlechtem Verhalten würde Spielzeit abgezogen. Beiden wurde nicht eine Minute gekürzt. Summa summarum: Sehr gut erzogene Kinder.

Die Motivationslosen

Dann kam der zweite Kurs – Oh my. Vom härteren Schlag, wie es meine Patenlehrerin ausdrückte. Ein Kurs aus zwei Neuntklässlern und einem Berufsschüler. Letzterer hatte auch seinen ersten Tag. Die beiden Jungs kannten sich bereits sehr gut und quatschten lieber über das neue GTA-V-Spiel als ihre Aufgaben. Zwar konnte ich sie zum Arbeiten bewegen, das hielt aber immer nur ein paar Minuten an – wer hätte es gedacht 😉 Naja, dachte ich mir, dafür werde ich Lehrerin. Also ran an den Speck.

Mit verschiedenen Mitteln versuchte ich die beiden zum Arbeiten zu bewegen:

  • mit Humor „Wie, das nennst du Schreiben? Da ist ja meine Oma schneller“,
  • mit motivierendem Zureden „Na, die Aufgabe hast du doch schon gut gemacht, jetzt hast du das Thema fast im Griff. Schau dir die nächste Aufgabe an und bei Fragen komme ich rüber“,
  • mit Ermahnung „Morgen musst du das in der Schule wissen, heute kannst du es üben und mich auch noch fragen“
  • Was mir noch fehlte – das war mir fast schon klar – war das lehrertypische Durchgreifen „Schh. Jetzt aber still!“. Daran muss ich definitiv noch arbeiten.

    Der Deplatzierte (aber Fleißige)

    Der Berufsschüler hatte seinen ersten Tag und ich sollte seine Englisch-Kenntnisse prüfen. Also begann ich den Small-Talk auf Englisch und schaute, wie gut er mitkam und wie ausgereift seine Antworten ausfielen. Danach stellte ich ihm noch ein paar Übungsaufgaben zu Tenses, Sentences und If-Clauses, um auch einen Eindruck von seinem grammatischen Wissen zu bekommen. Die Aufgaben löste er nicht immer korrekt, aber mit Übereifer. Beispielsweise notierte er neben den Zeiten gleich auch deren Anwendungsregeln mit Beispielen.

    Dieser Schüler war sehr unproblematisch, allerdings merkte ich, dass die Unruhe der beiden jüngeren Schüler auch ihn störte. Er verlagerte seine Aufmerksamkeit stark auf die Aufgaben, um sich nicht unwohl zu fühlen. Seine Motivation war dadurch leicht erkennbar und ich konnte seine Fähigkeiten gut einschätzen. Allerdings denke ich, dass – egal wie gut ein Lehrer die Schüler im Griff hat – der Altersunterschied von 14 zu 22 Jahren doch zu extrem ist. Mit so jungen Schülern sollte er nicht zusammen unterrichtet werden.

    Das Ergebnis

    Der Schwierigkeiten zum Trotz, attestierten mit meine Patenlehrerin und die Institutsleitung ein „bestanden“. Die beiden Schüler waren absichtlich gewählte Härtefälle, die noch kein Neulehrer einfach in den Griff bekommen habe. Ich hätte mich ganz gut gemacht, nur sollte ich – wie schon gesagt – manchmal härter durchgreifen.

    Ich halte die Arbeit in dem Institut für ein gutes Training für das spätere Schulpraxissemester, den Vorbereitungsdienst und – natürlich – den Schuldienst. Denn wie kann man dem gefürchteten Praxisschock besser entgegenwirken als durch Praxiserfahrung. So viele unterschiedliche Schüler bieten da die beste Möglichkeit. Ich hoffe das Beste und bin gespannt. 🙂

    Bis dahin,

    cheerio 🙂